
10 Irrtümer über Datenkultur, die Sie vermeiden sollten
- Ben Diez
- Data Culture
- 25.11.2024
Mehr als nur eine technische Spielerei oder ein Privileg großer Konzerne – Daten sind das Fundament für fundierte Entscheidungen und nachhaltiges Wachstum. Doch während viele mittelständische Unternehmen die Bedeutung von Daten an sich erkennen, stellt der Aufbau einer datengetriebenen Unternehmenskultur oft eine Herausforderung dar. Denn neben den zahlreichen, selbsternannten Gurus auf Linkedin, die Ihnen ihre patentierte Sofortlösung als eBook zukommen lassen, sobald Sie ihren Beitrag mit „Bisamratte“ kommentieren, kursieren zahlreiche Mythen und Missverständnisse, die den Weg zur “data driven” Organisation versperren.
Die Antwort liegt daher in einer Unternehmenskultur, in der Daten nicht nur gesammelt, sondern verstanden, hinterfragt und aktiv zur Entscheidungsfindung genutzt werden. Dabei geht es nicht ausschließlich um Technologie oder Prozesse, sondern vor allem um Menschen, Mindsets und Verhaltensweisen.
In diesem Artikel zeigen wir eine Auswahl an 10 weit verbreiteten Irrtümern, denen viele Unternehmen in ihrer datengetriebenen Transformation aufsitzen. Diese Missverständnisse können nicht nur zu verpassten Chancen führen, sondern im schlimmsten Fall zu kostspieligen Fehlentscheidungen.
1. Mit den richtigen Tools kommt der Rest von allein
Die neueste Version von Power BI, Tableau oder Qlik auf jedem Firmenrechner zu installieren, klingt erst mal nach einer guten Idee. Die schlechteste ist es sicher nicht, dennoch sollten Sie nicht aus den Augen verlieren, dass ohne ein grundlegendes Umdenken in den Köpfen der Mitarbeiter die beste Software genau eines ist: eine schicke, aber teure Spielerei.
Eine echte Datenkultur entsteht nicht, indem man möglichst viele Dashboards mit der Gießkanne verteilt. Sie gedeiht durch Menschen, die verstehen, was sie mit den Daten tun sollen. Solange sich Mitarbeiter bei jeder Analyse fühlen wie ein Uber Fahrer ohne Navi, wird kein Tool der Welt datengetriebene Entscheidungen erzwingen. Im Zentrum steht zuerst der Mensch, dann das Tool.
2. Mehr Daten bedeuten automatisch bessere Entscheidungen
Der Glaube, eine Flut an Daten führe automatisch zu unanfechtbaren Entscheidungen, entspricht leider nicht ganz der Realität. Mehr Daten ohne Sinn, Struktur oder erkennbarem Bezug zum Business sind in etwa wie ein vollgestopfter Dachboden: Jede Menge Kram, aber nichts davon hilft. Datenqualität und Relevanz sind die wahren Zauberworte.
Stellen Sie sich vor, ein Arzt weiß alles über das Lieblingstier eines Patienten, der gerade auf seine OP wartet. Hervorragende Basis für Small Talk, aber der Nutzen für den Eingriff hält sich in Grenzen.
Daten sind nur dann wertvoll, wenn sie das Richtige zur richtigen Zeit liefern. Andernfalls verwandelt sich der schöne Traum von datengetriebenen Entscheidungen schnell in ein Datenchaos, das mehr Verwirrung stiftet als Klarheit schafft.
3. Nur Leute mit „Data“ im Titel müssen Datenkompetenz haben
Natürlich ist es richtig, dass Data Analysts, Data Scientists oder Data Engineers mit Daten umgehen können müssen, das ist schließlich ihr Job. Aber wer glaubt, dass Datenkompetenz auf diesen elitären Kreis beschränkt bleiben sollte, hat den Mehrwert einer Data Culture noch nicht verstanden. Daten sind nicht mehr das exklusive Spielzeug der IT oder Finance-Abteilung. Sie sind das Rückgrat erfolgreicher Entscheidungen – und das betrifft alle im Unternehmen.
Ob Kundenservice, Vertrieb oder Management: Jeder muss heutzutage wissen, wie man Daten liest, interpretiert und sinnvoll einsetzt. Zwar muss der Kundenbetreuer nicht zum Data Scientisten werden. Wenn er aber die Zahlen seines Bereiches nur für eine lose Ansammlung von Balkendiagrammen hält, ist die nächste Fehlentscheidung vorprogrammiert. Genauso im Management: Wer sich auf Dashboards verlässt, ohne sie zu verstehen, kann sich stattdessen auch gleich eine Glaskugel ins Büro stellen.
Kurz gesagt: Datenkompetenz ist kein Luxus, sondern eine Grundvoraussetzung für alle. Denn Daten allein führen noch nicht zu besseren Entscheidungen. Sie sind nur so gut wie die Menschen, die sie nutzen.
4. Data Culture entsteht durch Datenzugriff für alle
Gleich vorweg: Die Begeisterung eines Analysten über Datenbankzugriff für jeden Mitarbeiter dürfte ähnlich ausfallen wie die über das Entdecken eines Bonus-Tracks auf einem Yoko-Ono-Album.
Denn ohne gründliche Schulungen zur Datenkompetenz und kontrollierten, verantwortungsvollen Zugang entstehen nämlich rasch unkontrollierbare Zustände. Plötzlich werden die Systeme von ineffizienten Anfragen überschwemmt, was nicht nur die Performance in den Keller zieht, sondern auch Ressourcen verschwendet. Gleichzeitig kämpfen die Analysten damit, den Wildwuchs an fragwürdigen Reportings zu bändigen, die ohne klare Standards und gespickt mit gefährlichen Halbwahrheiten aus dem Boden schießen.
Fehlende Governance öffnet zudem Tür und Tor für ernsthafte Risiken: Datenmissbrauch, Sicherheitsverletzungen oder Verstöße gegen Compliance-Vorgaben sind dann keine Frage des Ob, sondern des Wann. Eine gesunde Data Culture beruht deshalb nicht auf blindem Datenzugang, sondern auf einer ausgewogenen Kombination aus Zugänglichkeit, Schutz und den nötigen Kompetenzen. Mitarbeiter müssen nicht nur wissen, wie sie Daten nutzen können, sondern auch, wie sie dies verantwortungsbewusst und effizient tun.
5. Datengetriebene Entscheidungen sind objektiv und absolut unfehlbar
„Wenn alle deine Freunde aus dem Fenster springen, springst du dann auch?“ – Unter den strengen Augen unserer Mütter war die einzig richtige Antwort ein genuscheltes „Nein, natürlich nicht“, und das war auch gut so. Ein Machine Learning Algorithmus jedoch, würde bei dieser Datenlage wahrscheinlich ohne Zögern mit „Zu 100 Prozent!“ antworten.
Denn Daten sind nur so objektiv, wie ihre Erhebung und Interpretation. Einseitig erhobene Daten, unerkannter Bias oder falsche Analysen können zu gravierenden Fehlern führen, und das oft ohne, dass es überhaupt jemand bemerkt. Ein Algorithmus, der nur auf diese fehlerhaften Daten zugreift, trifft Entscheidungen, die niemandem in den Sinn kommen würden – und die unkontrolliert zu Problemen führen können. Deshalb bleiben kritisches Denken und gesunder Menschenverstand auch in einer Welt, die zunehmend von Daten dominiert wird, unerlässlich. Nur so lassen sich die richtigen Schlüsse ziehen und fehlerhafte Entscheidungen vermeiden.
6. Data Culture ist exklusiv etwas für große Unternehmen
Dieser Irrglaube hält sich hartnäckig, dabei können gerade kleine und mittelständische Unternehmen enorm von einer datengetriebenen Unternehmenskultur profitieren. Durch den gezielten Einsatz von Daten können sie neue Geschäftsfelder entwickeln, ihre Ressourcen effizienter nutzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. In einer immer stärker durch Daten getriebenen Welt sind sie nicht nur für die großen Player von Bedeutung. Auch KMUs haben die Möglichkeit, durch fundierte, datengestützte Entscheidungen ihre Geschäftsprozesse zu optimieren und einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu erlangen – und das oft ohne die endlosen Bürokratiehürden (z.B. den Passierschein A38) der Big Player.
7. Ein paar Technikschulungen sind zum Aufbau einer Datenkultur völlig ausreichend
Natürlich sind technische Skills wichtig, aber wenn man einzig nur darauf setzt, läuft man Gefahr, dass die Daten zwar fließen, aber niemand weiß, wie man sie nutzt.
Data Culture ist viel mehr als nur das Beherrschen von Software und Tools. Sie erfordert auch Schulungen in kritischem Denken, Datenethik und Storytelling. Die besten Daten nützen wenig, wenn niemand versteht, was sie einem sagen. Mitarbeiter müssen lernen, Daten zu hinterfragen, statt sie blind zu konsumieren. Und vor allem müssen sie die Fähigkeit entwickeln, ihre Erkenntnisse klar und verständlich zu kommunizieren, denn schließlich sind die besten Daten wertlos, wenn sie nicht die richtigen Entscheidungen anstoßen können.
8. Daten haben wir mehr genug, was kann da noch schiefgehen?
Diese Aussage mag auf den ersten Blick logisch erscheinen, aber sie übersieht einen entscheidenden Punkt: Es geht nicht nur um die Menge an Daten, sondern vor allem um ihre Relevanz für das Geschäft und die Frage, was man mit den relevanten Daten anstellt. Rohdaten sind noch keine wertvollen Informationen. Sie müssen aufbereitet, analysiert und in den richtigen Kontext gesetzt werden, um echte Erkenntnisse zu liefern. Eine große Sammlung an Daten zu haben, ist vergleichbar mit einem losen Haufen Baumstämme – daraus lässt sich noch lange kein Haus bauen. Ohne die richtigen Tools, die passende Businesslogik und präzise Analysen bleiben auch riesige Datenmengen bedeutungslos. Der wahre Unterschied liegt in der Fähigkeit, diese Daten richtig zu interpretieren und gezielt zu nutzen.
9. Wenn das Board “Data Driven” ist, folgt der Rest automatisch
Die Führungsriege muss sich für Datenkultur stark machen, aber die Aussage „data driven“ sein zu wollen, sollte mehr sein als nur ein Lippenbekenntnis sein. Eine echte Datenkultur wächst nicht, weil jemand im Town Hall Meeting ausruft „Daten sind ab jetzt wichtig!“ – sie funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Das bedeutet, dass nicht nur die Chefetage, sondern auch die Leute auf den Ebenen darunter aktiv dabei sein müssen. Denn wenn sich niemand dafür interessiert, bleibt das Ganze eine hohle Phrase. Eine erfolgreiche Datenkultur kann nur dann entstehen, wenn alle an einem Strang ziehen und verstehen, warum Daten wichtig sind.
10. Der Erfolg ist uns sicher, sobald wir datengetrieben arbeiten
Klingt gut, kommt aber mit einem Aber! Sicher, Daten helfen uns, bessere Entscheidungen zu treffen, aber sie sind keine magische Erfolgsformel. Der wahre Erfolg kommt nicht nur durch das Sammeln und Analysieren von Daten, sondern durch die richtige der Erkenntnisse. Und ganz ehrlich: Niemand trifft immer die perfekten Entscheidungen. Deshalb ist die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen und sich anzupassen, entscheidend. Daten können uns die Richtung weisen, aber Firmen müssen auch bereit sein, den Kurs zu korrigieren, wenn die Realität etwas anderes zeigt. Erfolg entsteht, wenn man mit den richtigen Daten, der richtigen Strategie und der notwendigen Flexibilität an die Sache geht.
Fazit
Der Aufbau einer starken Datenkultur ist mehr als ein ambitioniertes Ziel – er ist eine Notwendigkeit für jedes Unternehmen, das in einer datengetriebenen Welt erfolgreich bestehen will. Es geht nicht nur darum, Daten zu sammeln oder moderne Tools einzuführen. Vielmehr erfordert es eine tiefgreifende Veränderung der Unternehmenskultur, die von Führungskräften aktiv vorgelebt und von allen Mitarbeitern mitgetragen werden muss.
Die 10 Irrtümer, die wir hier aufgeführt haben, verdeutlichen: Eine echte Datenkultur entsteht nicht von allein, und es gibt keine Abkürzungen (außer natürlich Sie kommentieren - wie oben erwähnt - „Bisamratte“ unter dem richtigen LinkedIn Post für das erwähnte gratis eBook). Sie braucht Zeit, klare Strukturen und vor allem ein gemeinsames Verständnis dafür, wie Daten das Unternehmen voranbringen – wenn sie richtig genutzt werden.