
Stiller Datenverlust: Wenn Wissen heimlich verschwindet
- Ben Diez
- Data Knowledge
- 17.02.2025
Dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, gehört zum Alltag. Manche kündigen, manche gehen in Rente, und im schlimmsten Fall stehen sie vom einen auf den anderen Tag nicht mehr zur Verfügung (Fristlose Kündigung, Krankheit, spontane Auszeit zur Selbstfindung). Was dann folgt, ist oft hektisches Improvisieren: Wer übernimmt die Aufgaben? Wer kennt die Kunden? Hat außer Klaus noch jemand einen Staplerschein?
Was dabei oft übersehen wird, ist der stille Abgang von Wissen und Daten. Mit dem Mitarbeiter verschwindet in der Regel mehr als nur seine Arbeitskraft. Die Excel-Liste mit den Sonderkonditionen, die Zugriffsdaten zur Lieferantenplattform oder die Abstimmungsdetails mit dem wichtigsten Kunden – all das kann plötzlich fehlen. Das mag anfangs gar nicht auffallen, doch mit der Zeit kommen immer mehr Fragen auf, die keiner beantworten kann.
Dieser unsichtbare Datenverlust ist oft teurer als die Neubesetzung der Stelle. Prozesse verzögern sich, Entscheidungen dauern länger und im Worst Case springen Kunden ab oder Aufträge platzen. Besonders tückisch ist, dass diese Schäden meist erst Monate später spürbar werden, wenn der Betrieb weiterläuft, aber das Fundament aus Wissen und Daten längst bröckelt.
Unsichtbare Lücken: Wenn Wissen mit in den Feierabend geht
Stiller Datenverlust entsteht selten durch Sabotage, meistens ist es viel banaler. Bequemlichkeit, Pragmatismus oder der bei Pragmatikern beliebte gute, alte Workaround. Über Jahre haben sich Routinen eingeschlichen, die im Alltag wunderbar funktionieren, aber im Ernstfall brandgefährlich sind. Die (unscheinbaren) Leistungsträger halten den Laden am Laufen, haben aber ihre ganz eigenen Systeme gebaut. Diese stehen in keinem Handbuch und existieren oft nur in deren Köpfen oder auf deren Laptops.
Geht einer dieser Kollegen lassen sie ein großes Loch zurück. Plötzlich sind die Zugangsdaten zur Datenbank weg, die Berechnungslogik der wichtigsten Kennzahl ist ein Rätsel, und die Projektunterlagen liegen auf einer lokalen Festplatte, die niemand mehr findet. Der Betrieb ruckelt sich oft noch zusammen, aber die Datenbasis wird löchriger und die Fehleranfälligkeit steigt. Besonders heikel: Oft merkt man die Lücke erst dann, wenn es wirklich darauf ankommt, der Kunde etwas wissen will oder die Geschäftsführung eine schnelle Entscheidung braucht.
Warum die Führungsetage handeln muss
Der Abfluss von Wissen ist kein Knall, der durchs Büro hallt, sondern passiert leise und schleichend, ähnlich wie der Fisch, den sich ein Kollege in der Mikrowelle aufwärmt. Meist nimmt man ihn erst wahr, wenn es richtig weh tut: der Großkunde ist verärgert, die Maschine steht, oder die Marge schmilzt dahin.
Führungskräfte, die das Thema Wissensmanagement als Nebensächlichkeit abtun, machen sich etwas vor. Es geht nicht darum, den Mitarbeitern misstrauisch über die Schulter zu schielen, sondern sicherzustellen, dass das Unternehmen auch dann noch funktioniert, wenn der Vertriebsleiter in Rente geht oder der Produktionsprofi überraschend ins Big Brother Haus zieht. Besonders in Branchen wie Maschinenbau, Produktion oder spezialisiertem Handel, wo Fachwissen und Daten oft untrennbar verwoben sind, kann eine falsche Bestellung oder ein Kalkulationsfehler schnell fünf- bis sechsstellige Folgen haben.
Wer als Chef also glaubt, „das läuft doch“, sollte sich fragen: Läuft es noch, wenn die, die es am Laufen halten, plötzlich nicht mehr da sind?
Wie kann diesem Wissensverlust also vorgebeugt werden?
-
Dateninventur: Die Bestandsaufnahme ist oft ein ernüchternder Reality-Check. Sie legt schonungslos offen, wie viel brisantes Unternehmenswissen eigentlich gar nicht „dem Unternehmen“ gehört, sondern auf Festplatten, in E-Mail-Postfächern oder – Klassiker – in den Köpfen einzelner Mitarbeiter vergraben ist. Wer das Pech hat, dass der Kollege mit der geheimen Preisliste plötzlich im Sabbatical ist, merkt schnell, dass Stiller Datenverlust kein Buzzword, sondern bittere Realität ist. Deshalb muss diese Inventur zur Gewohnheit werden.
-
Wissenssicherung: Kritische Prozesse und Daten werden sauber dokumentiert, denn Wissen nur in den Köpfen der Mitarbeiter vorzuhalten, ist äußerst riskant. Es muss systematisch gesichert und für andere zugänglich gemacht werden. Digitale Wissensdatenbanken helfen dabei, Informationen dauerhaft verfügbar zu halten und Abhängigkeiten von Einzelpersonen zu reduzieren.
-
Datenkultur etablieren: Eine starke Datenkultur entsteht, wenn alle – vom Azubi bis zur Geschäftsführung – ein Verantwortungsbewusstsein für Daten entwickeln. Daten sind kein privates Eigentum einzelner Personen, sondern ein strategisches Asset des Unternehmens. Dieses Verständnis muss sich in der Firmenkultur verankern: Informationen werden nicht gehortet, sondern geteilt und systematisch gepflegt. Regelmäßige Schulungen und Workshops helfen, diese Haltung zu verinnerlichen und Daten als gemeinsame Ressource zu begreifen.
-
Technologische Absicherung: Technische Absicherung bedeutet, eine zentrale Datenplattform einzuführen und Schatten-IT sowie Insellösungen konsequent abzubauen. Dokumentationsplattformen, interne Wikis oder digitale Kollaborationstools wie SharePoint oder Confluence sorgen dafür, dass Wissen und Daten dauerhaft gesichert und für die relevanten Kollegen zugänglich sind. So wird verhindert, dass kritische Informationen in verstreuten Dateien oder persönlichen Ablagen verschwinden.
-
Verantwortlichkeiten festlegen: Die Sicherung und Pflege von Wissen sind strategische Unternehmenswerte und dürfen nicht dem Zufall überlassen werden. Daher sind klare Verantwortlichkeiten entscheidend: Jeder im Unternehmen muss wissen, wer für welche Informationen zuständig ist und an wen man sich bei Fragen oder Problemen wenden kann. Rollen wie ein „Data Steward“ können helfen, diese Verantwortung zu bündeln.
-
Übergabeprozesse standardisieren: Saubere On- und Offboardingprozesse stellen sicher, dass beim Wechsel oder Ausfall von Mitarbeitern kein Wissen verloren geht. Klare Checklisten, strukturierte Übergabedokumente und feste Routinen helfen, relevante Informationen vollständig und nachvollziehbar weiterzugeben. So wird Wissen nicht nur mündlich überliefert, sondern schriftlich fixiert und für das Unternehmen dauerhaft nutzbar gemacht.
Datenverluste gar nicht erst entstehen lassen
Bei Alpine Data Ventures erleben wir immer wieder, dass Unternehmen sich erst nach einer schmerzhaften Erfahrung, z.B. dem plötzlichen Weggang eines Schlüsselmitarbeiters oder dem Verlust wichtiger Informationen, mit dem Thema Datensicherung und Wissensmanagement befassen. Oft ist es dann aber schon zu spät.
Deshalb verfolgen wir den Ansatz: Prävention statt Reaktion. Gemeinsam mit unseren Kunden identifizieren wir frühzeitig kritische Datenlücken, decken Wissensabhängigkeiten auf und entwickeln pragmatische Prozesse, um Informationen systematisch zu sichern. Unser Anspruch endet dabei nicht mit dem Konzept. Wir begleiten die Umsetzung bis ins Detail, stellen sicher, dass die vereinbarten Maßnahmen im Alltag greifen und die relevanten Daten tatsächlich dort verfügbar sind, wo sie gebraucht werden.
Denn aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die beste Strategie nichts nützt, wenn sie in der Schublade verschwindet. Am Ende zählt nur, dass die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort vorliegen.