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Zeit für Data Governance: Wenn das Lama auf dem Tisch steht

Zeit für Data Governance: Wenn das Lama auf dem Tisch steht

Man stelle sich vor, während eines Meetings geht die Tür auf und ein Lama galoppiert (geht, schreitet – was sagt man bei Lamas?) in den Raum. Unwahrscheinlich? Sehr. Unmöglich? Nein.

Niemand weiß, woher es kommt oder wem es gehört. Und während die einen Fotos machen, andere hektisch den Hausmeister anrufen und ein Kollege versucht, es mit einem Müsliriegel zu ködern, schreit irgendjemand: „Das muss die IT regeln!”

Klingt absurd? Willkommen in der Realität vieler Unternehmen, wenn es um ihre Daten geht. Und zur Sicherheit: Das Lama ist natürlich eine Metapher. Ein echtes Lama würde an seinem freien Tag wohl kaum ins Büro kommen.

Auch in Datenlandschaften tauchen regelmäßig Dinge auf, die keiner zuordnen kann: KPIs ohne Herkunft, Berichte ohne Freigabe, Dashboards, die sich widersprechen. Und als das Daten-Lama gemächlich durch den Raum trabt und anfängt, an den Händen der Anwesenden zu knabbern, wird deutlich: Das Problem ist nicht die Technik. Es fehlen klare Regeln, Verantwortlichkeiten und eine gemeinsame Sprache im Umgang mit Daten. Einfach gesagt: Es fehlt an Data Governance.

Wenn Karl übernimmt: Die bittere Realität fehlender Governance

Das Lama (nennen wir es Karl) steht auf dem Konferenztisch. Er ist ein ausgewachsenes Exemplar mit etwas genervtem Blick, einer Vorliebe für gedruckte PowerPoint-Folien und einem überraschend lauten Kaugeräusch. Gerade zerlegt er Seite 12 der letzten Umsatzprognose. Die Geschäftsführung schaut betreten zu Boden. Irgendjemand flüstert: „Hatten wir nicht mal ein Datenmanagement-Projekt?“

Hier zeigt sich der wahre Wert von Data Governance. Nicht als bürokratisches Feigenblatt oder gut gemeinte Exceltabelle namens „Governance_Konzept_ _v21.xlsx“, sondern als gelebte Praxis, die verhindert, dass unerwartete Datenphänomene – sei es in Form von KPIs, Dashboards oder eben Karl – die Organisation lahmlegen.

Entgegen der weit verbreiteten Ansicht, Governance heiße „alle dürfen nix“ bedeutet es vielmehr „alle wissen, was sie tun und warum“. Das klingt spektakulär unspektakulär, ist aber oft der Unterschied zwischen einer funktionierenden Dateninfrastruktur und einem panischen All-Hands-Meeting kurz vor der Aktionärsversammlung das sich um die Frage dreht: „Was genau meinen wir eigentlich mit ‘bereinigter Rohmarge’?“

Moderne Data Governance sorgt dafür, dass Informationen dort ankommen, wo sie gebraucht werden, nicht auf SharePoint-Friedhöfen, in dubiosen Excel-Tabellen oder in den Tiefen eines Systems, das nur noch der Praktikant aus 2017 verstehen würde. Sie schafft Verantwortlichkeiten, wo vorher Ausreden waren („Ich dachte, das kommt vom BI-Team?“), und Transparenz, wo vorher Unklarheit herrschte. Vor allem verhindert sie, dass sich Fachbereiche in Richtung IT ducken, sobald es ungemütlich wird, vor allem, da das Problem meist hausgemacht ist.

Anders ausgedrückt: Wer Governance heute noch mit reiner Kontrolle assoziiert, hat Karl nicht verstanden. In einer Welt, in der Entscheidungen zunehmend automatisiert, reguliert und datenbasiert getroffen werden, ist fehlende Governance kein Schönheitsfehler. Es ist ein Risiko mit vier Beinen, schlechter Laune und einem ausgeprägten Hunger auf Ihre Entscheidungsgrundlagen.

Die neue Sicht: Governance als Enabler

Karl ist inzwischen wieder draußen. Irgendjemand hat ihm eine Banane angeboten und ihn Richtung Tiefgarage gelockt. Zurück bleibt ein leicht zerwühlter Konferenzraum, aber auch eine wertvolle Erkenntnis, nämlich, dass Chaos nicht durch böse Absicht entsteht, sondern durch fehlende Strukturen.

Zeitgemäße Governance sorgt dafür, dass Daten nicht nur auffindbar, sondern auch verwendbar sind. Keine Dubletten, keine widersprüchlichen Definitionen, keine Dateinamen wie „report_ NEU_Oma_klick_hier.xlsx“. Stattdessen wird Vertrauen geschaffen durch nachvollziehbare Verantwortlichkeiten, transparente Regeln, dokumentierte Herkunft.

Die Grundidee ist simpel: Wenn klar ist, wer welche Daten erstellt, pflegt, freigibt und nutzt, kann man sich endlich auf Inhalte konzentrieren. Wer Governance ernst nimmt, hat folglich mehr Zeit für Wertschöpfung statt für spontane Lama-Einsätze.

Fünf Prinzipien für Data Governance

Governance nicht nach Verwaltungsakt, sondern nach Enablement klingt, braucht es einen Perspektivwechsel sowie ein paar klare, praktische Prinzipien:

1. Klare Rollen statt Sammelposten IT

„Das macht die IT“ ist keine Governance-Strategie, vielmehr ein Hilferuf. Moderne Governance verteilt Verantwortung bewusst:

  • Data Owner entscheiden, was mit welchen Daten passiert
  • Data Stewards kümmern sich um Qualität, Kontext und Konsistenz
  • Datenkonsumenten wissen, was sie bekommen

Wenn jeder seine Rolle kennt, braucht es keine dreitägigen Abstimmungsschleifen mehr für einen Monatsreport.

2. Richtlinien, die man auch ohne Jurastudium versteht

Eine gute Policy beantwortet drei Fragen: Was darf ich? Was darf ich nicht? Und warum ist das so? Die besten Richtlinien passen auf eine Seite, sind lesbar ohne Koffein und enden nicht mit „siehe Anlage d“. Wenn Richtlinien sich lesen wie die Bedienungsanleitung für ein Atomkraftwerk, darf sich niemand wundern, wenn niemand sie anschaut.

3. Governance heißt nicht Kontrolle, sondern Befähigung

Viele denken bei Governance an Bürokratie und Freigabeschleifen. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall: feste Regeln geben und Prozesse geben Sicherheit. Sie sorgen dafür, dass Menschen Entscheidungen treffen können, weil sie wissen, worauf (und worauf nicht) sie sich verlassen können.

4. Kleine Schritte statt Mammutprojekt

Data Governance ist kein Großprojekt mit Launchparty und T-Shirts für alle Beteiligten. Sie beginnt dort, wo der Schmerz am größten ist. Zum Beispiel bei der Frage, warum der Umsatzbericht aus dem Vertrieb immer anders aussieht als der aus dem Controlling. Man startet klein, lernt, passt an, rollt aus. Iteration schlägt Masterplan.

5. Tools sind Helfer – keine Lösung

Ein Data Catalog ist schön. Ein Glossar ist hilfreich. Aber wenn niemand weiß, wer es pflegt, was drinsteht und warum, ist es nur ein weiteres Tool, das bald auf den „nicht mehr gepflegt seit Q4 2022“-Pfad einschwenkt. Technologie ersetzt keine Klarheit. Sie verstärkt, was da ist, Chaos genauso wie Struktur.

Und was bedeutet das für den Arbeitsalltag?

Mehr, als viele auf den ersten Blick denken. Denn in einer Welt, in der Entscheidungen schnell getroffen werden müssen, ist eines besonders wertvoll: Verlässlichkeit.

Nutzer der Daten müssen sich sicher sein können, dass sie korrekt, aktuell und nachvollziehbar sind. Doch wenn keiner weiß, woher die Zahlen kommen oder wer sie aufbereitet hat, kann aus Geschwindigkeit schnell Beliebigkeit werden.

Eine solide Data Governance ermöglicht:

  • Self-Service BI, bei der Nutzer nicht reflexartig jedes Chart zur Sicherheit in Excel exportieren
  • KI-Projekte, die auf verlässlichen, nachvollziehbaren Trainingsdaten basieren
  • Datenschutz, der nicht auf einem Ausdruck basiert, der mit Kaffeefleck und Büroklammer in der Abteilungsküche liegt, sondern in der Praxis auch ohne Alibi-Checkliste funktioniert

Wer auf Basis von Daten handeln will, braucht Ordnung. Ohne sie wird aus Dynamik nur Durcheinander.

Fazit: Karl geht, Klarheit bleibt

Wenn es um Daten geht, ist die Frage längst nicht mehr, ob Governance notwendig ist, sondern wie man sie endlich so aufstellt, dass sie wirkt. Denn wer auf belastbare Daten setzt, muss diesen vertrauen können. Kein Rätselraten, keine Interpretationsspielräume, keine Prozesse, die nach Pflichtübungen riechen.

Karl war da. Er hat für Unruhe gesorgt. Aber du hast aufgeräumt, Prozesse definiert, Verantwortlichkeiten geklärt. Und falls er nochmal auftaucht, gibt es dieses Mal klare Regeln, statt Müsliriegel.

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